"Die ausgebrannte Lehrkraft"
Wie Sie gesund bleiben und gut unterrichten


Eine Veranstaltung des Verbandes "Bildung und Erziehung" (VBE) NRW - Kreisverband Hamm-Soest

 

Bericht: Gerd Heistermann

 

Der Vortrag am 26.4. im Kleistforum wendet sich an die „ausgebrannte Lehrkraft“, also Unterrichtenden, von denen es immer mehr gibt. Die Veranstaltung verspricht „Motivation und Gesundheit aus der Sicht der Hirnforschung“ und das Wissen, „wie Sie gesund bleiben und mit Freude unterrichten.

Schon sein Auftreten macht den Speaker interessant: die Haare sind streng nach hinten zusammengebunden zu einem winzigen Zopf und bilden einen Kontrast zum etwas schütteren Vollbart. 

Referent: Dr. Robin J. Malloy

Dr. Robin Malloy trägt sein graues Sakko enganliegend und zugeknöpft, bordeaux-rot stechen Krawatte, Einstecktuch und Socken hervor. Er springt schon fast auf die Bühne und stellt sich vor als ehemaliger Polizeibeamter (20 Jahre tätig) und Familienvater. 

 

Nachdem drei Polizeikollegen Suizid begangen hatten, weil sie nicht die Arbeit, sondern die Art des Umgangs im Dienst zunehmend belastete, quittierte auch Dr. Malloy den Dienst und ging in die Wissenschaft, wo er über „Neuropsychologie, Emotions- und Stressforschung sowie Führungslehre“ promovierte.

 

Inzwischen lebt er mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in Paderborn. Dort leitet er als Trainer und Erwachsenenpädagoge die Schulungsfirma Transkill GbR. Dr. Malloy verbindet ein dynamisches Auftreten mit modernster „Neuroscience“ und ist dabei bodenständig geblieben. Er spricht über Seelisches, aber nicht wie ein Psychologe, sondern systematisch wie ein Physiker macht er sein neurobiologisch-biochemisch-systemisches Wissen praktisch und bietet damit hard science for soft skills.

 

Dr. Malloy präsentiert vor allem Handfestes. Seine Schaubilder illustrieren Hirnareale und Neurotransmitter, Neuronen und Astrozyten und was zwischen ihnen passiert an molekularbiologischen Prozessen. Es geht ihm um Strukturen und Funktionen, Übertragungen und Aktivierungen. Da ist kaum von Gefühlen die Rede, sondern von von  Transmittern und ihren komplexen Mechanismen. Auf diese Art erreicht er auch die wohl meist männlichen Skeptiker unter den Lehrer*innen, bei denen vor allem die kognitiv-analytisch-strategische linke Hirnhemisphäre aktiv ist.

 

Aufhänger sind die zunehmenden Fehlzeiten von Lehrern und Schülern aufgrund seelischer Störungen, die nicht erst seit Covid exponentiell zugenommen haben. Eigentlich bräuchte bereits jeder dritte Lehrer und Schüler Hilfe wg. einer Depression, so Dr. Malloy. Aber die Betroffenen fühlen sich „ganz normal“, vor allem auch die Männer im Lehrer-Kollegium: „Eher friert die Hölle zu“, ehe sie zu einem Psychologen gehen würden, beschreibt es Dr. Malloy. 

 

Zu erkennen sind diese Lehrer trotzdem sehr leicht. Es sind vor allem die frustrierten Lehrer, die durch ihr häufiges Schimpfen auffallen: „Wenn Sie wüssten, was hier los ist!“ hört Dr. Malloy von ihnen schon beim ersten Kennenlernen. Schuld daran sind immer die anderen: die Schüler, die Eltern, das Quartier etc. Diese Lehrer*innen externalisieren grundsätzlich die Gründe dafür, dass sie so mies drauf sind: „Wir sehen die Dinge so, dass unser Gehirn es damit aushalten kann“, erklärt es Dr. Malloy. Alles, damit wir uns bloß nicht an die eigene Nase fassen müssen. Diese Einstellung ist fatal, denn sie verlängert letztlich das Leiden. 

 

Ohne den Mut zur Selbstwahrnehmung kann es nicht besser werden: die Selbstreflexion sei das „Schlüsselkonzept für Gesundheit“. Es fängt bereits morgens an mit dem Gewahrwerden, wie einem zumute ist.  Wem als erster Gedanke am frühen Morgen schon „Scheiß Schule“ einfällt, der sollte sich Hilfe holen. 

 

Diese frustrierten Lehrer haben ihre Berufswahl ohne Begeisterung getroffen und nicht aus innerer Überzeugung, erklärt es sich Dr. Malloy und fragt das Publikum: Wie viele von Ihnen wollten denn wirklich Schüler unterrichten? Und nicht nur das Fach, als sie ein Lehramt studierten? Oder hatten Sie vor allem den Halbtagsjob vor Augen in einer ihnen bereits wohlbekannten Schule, wo die Kinder ja lernen müssen. Statt extrinsisch sollten Lehrer intrinsisch motiviert sein: „Wir müssen das Lehren verstehen als ein Begeistertsein, und zwar von sich selbst und seinem Thema und der Freunde, diese Begeisterung zu transportieren!“

 

Viele Lehrer*innen sind erst viel zu spät, erst nach dem Studium mit den realexistierenden Schülern in Kontakt gekommen. Das sei fatal, so Dr. Malloy, der bedauert, dass es für angehende Lehramtsstudenten keine Eignungsdiagnostik gibt und für die aktiven Lehrer*innen keine Supervision und kein Coaching. Letztlich ist es weder das Fachwissen noch die Didaktik, sondern die Persönlichkeit der Lehrer, auf die es vor allem ankomme. „Haben Sie als Lehrer das Gefühl, eine Berufung zu haben? Wenn Sie das nicht klar mit „ja“ beantworten können, werden Sie in der Schule ein Problem haben ein Leben lang.“

 

Grundsätzlich gilt: unsere Brille und damit unser Blick auf die Welt wird durch die Gefühle geprägt, die wir vor allem in den ersten 1000 Tagen unseres Lebens gemacht haben. Wir sollten uns diese unbedingt bewusst machen: Das umfassende Gewahrwerden unserer körperlichen, emotionalen, mentalen und transpersonalen Prozesse und die Reflexion unserer Beziehungsmuster sind für Dr. Malloy „das Schlüsselkonzept“ für Gesundheit. 

 

Leider aber sind unsere Empfindungen in unserem plantonisch geprägten Denken weniger wert als das Denken selbst, für der Körper nur ein Mittel zum Zweck ist. Dabei sind es vor allem Erfahrungen von Ausgrenzung und Geringschätzung, die uns nachhaltig beschämt und beschädigt haben und damit „unser Gehirn vergiften“. Auch Angst, Schmerz und Gefahr bleiben um so fester in uns haften, je intensiver wir diese Gefühle erlebt werden mussten. 

 

Die Epigenetik hat herausgefunden, dass unsere schlimmsten Erfahrungen in uns gespeichert sind und wir sie unsere Nachkommen weitergeben. Zum Glück ruhen diese Erfahrungen in der Regel, denn körpereigene Reparaturstoffe halten sie in Schach. Doch wenn wir in einen Dauerstress geraten und immer zuviel „um die Ohren haben“, können diese Gene aktiviert werden: der Stress weckt dann das sozusagen „schlummernde Stalingrad“ in uns. Das kann offenbar ganz plötzlich von einen Tag auf den anderen geschehen. Die Betroffenen geraten dann in einen fatalen Teufelskreis, in dem der tägliche Stress immer schlimmer empfunden wird und damit eskaliert.

 

Umso größer ist unsere Verantwortung für das, was wir uns selbst, aber auch den anderen zumuten: „Wollen Sie ein gesunder Lehrer sein? Dann lassen Sie das Jammern sein!“, so Dr. Malloy. Denn Angst, Ärger und Stress vergiften unser Gehirn, indem sie in uns den Neurotransmitter Cortisol ausschütten, der uns über kurz oder lang krank macht. Hinzu komme unsere Fehlernährung mit Saft, Fanta und Cola, in der schlicht und einfach essentielle Aminosäuren fehlen. Also Mittelmeer-Kost mit viel Gemüse…denn „du bist, was du isst“ bzw. was darin fehlt.

 

Umso wichtiger werden im Stress die Gegenspieler des Cortisol wie 

  • der Glücksbringer Serotonin für Weisheit, Gelassenheit und Ruhe
  • Dopamin für Begeisterung und die Freude am Leben
  • Oxytocin für Vertrauen und Liebe zum Menschen
  • Testosteron für Tatkraft, Mut und Zuversicht.

 

Noch gibt es diese Stoffe nicht in der Apotheke*. Aber wir haben ja die Chance, unsere bisher gewohnten Denkmuster aufzudecken und zu verändern. Besonders das, was uns emotional auf die berühmte Palme bringt, ist der Schlüssel zur Erkenntnis auch unserer frühkindlichen Prägungen, die bislang bessere Beziehungen zu unseren Mitmenschen verhindert haben. „Was ich an mir nicht leiden kann, dass häng‘ ich einem anderen an“ erklärt der Kommunikationspsychologe Schulz von Thun den Mechanismus der Projektion. Und „ohne deine Außenseiter kommst du garantiert nicht weiter“ rät von Thun zur Aufarbeitung.

 

Resümee: Wir sollten unsere Glückshormone aktivieren mit der Suche nach dem, was uns wirklich gut tut, Freunde macht und begeistert – so das sich der Unterricht von der Anpassung zu Ansteckung wandeln kann…

 

*Bei chronischen schwergradigen Depressionen, wo weder Medikamente noch der Psychologe helfen, werden zunehmend halluzinogene Drogen wie LSD und Magic Mushrooms eingesetzt. Während Psychopharmaka täglich eingenommen werden müssten, wirkten Halluzinogene „wie eine Psychotherapie“, so Prof. Dr. Felix Müller von der Uni Basel im SPIEGEL vom 14.4.2023. Bislang seien Substanzen wie Psilocybin, MDMA und Ketamin als Partydrogen im Verruf gewesen, inzwischen spreche man von einer „Psychedelischen Revolution“ in der Psychiatrie, so das Magazin weiter.

 

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